Montag, 13. März 2006

Mit Vorsicht zu geniessen: Der «Kunstführer durch die Schweiz»

Wer sich den neuen «Kunstführer durch die Schweiz» kauft (der Band 1 erschien 2005 und umfasst die Nordostschweiz), der erwartet kompakte, verlässliche Informationen zu Kunstdenkmälern aller Art in den Kantonen AG, AI, AR, LU, SG, SH, TG, ZG und ZH.

Kompakt ist der im vertrauten Rot daherkommende Band wie eh und je. Aber verlässlich? WeiachBlog hat da so seine Zweifel.


Denn der Eintrag über Weiach enthält einen ziemlich kurligen Fehler, der Ortskundige stutzen lässt: Eine Römerwarte an der Strasse nach Zweidlen? Da kratzt man sich am Kopf und fragt sich, was der oder die Schreibende da wohl gemeint haben mag.

Den Bahnhof Zweidlen? Der steht bei Rheinsfelden. Und welche Strasse? Eine solche führt an der 1969 konservierten Römerwarte im Hard nun wirklich nicht vorbei. Das ist nur ein Fussweg. Entlang der Hauptstrasse Nr. 7 aber - und auch entlang der Waldstrassen hinüber ins Dorf Zweidlen - müsste uns die Redaktion des Kunstführers den römischen Wachtturm schon noch zeigen. Selbst die Kantonsarchäologie würde da etwas ganz Neues lernen.

Wie Fehler sich vererben - von Auflage zu Auflage

Immerhin: die heutige Redaktion hat diesen Bock nicht geschossen. Sie hat ihn lediglich ungeprüft von ihren Vorgängern übernommen. Was bei den sehr beschränkten Ressourcen zwar verständlich, aber dennoch sehr bedauerlich ist. Denn damit perpetuiert sich der Fehler für weitere Jahre oder gar Jahrzehnte. Schliesslich kann man so ein gedrucktes Werk nicht so einfach korrigieren wie einen Wikipedia-Artikel. Und was zwischen zwei Buchdeckel schwarz auf weiss geschrieben steht, das wird in aller Regel als lautere Wahrheit angesehen.

Ein Vergleich des Eintrags über Weiach aus der längst vergriffenen letzten Auflage des Kunstführers durch die Schweiz von Mitte der 1970er-Jahre zeigt: es wurde zwar ausgemistet, aber ausgerechnet obige Falschinformation blieb drin:

«WEIACH. Ref. Pfarrkirche. Die Vorgängerkirche wurde bis zur Reformation von der heute badischen Pfarrei Hohentengen aus versehen und wurde 1591 Pfarrkirche. Als militärischer Stützpunkt gegen die Grafschaft Baden und gegen Kaiserstuhl unter Einbeziehung des Pfarrhauses von 1591 und des Friedhofes vollständig neuerb. 1705-06 von Hans Casp. Werdmüller; Rest. 1966-1968. Saalbau mit Polygonalschluss unter Satteldach; gezimmerter Dachreiter mit Spitzhelm. Reichverzierte Kanzel, Pfarrstuhl, Kirchenstühle und Taufstein aus der Bauzeit. - Römerwarte, an der Strasse nach Zweidlen.
Museum. Ortsmuseum, im Liebert-Haus aus dem 16. Jh

Aufmerksam vergleichende Leser werden entdeckt haben, dass das Liebert-Haus sich in den drei Jahrzehnten seit 1975 scheinbar um 2 Jahrhunderte verjüngt hat. Der Grund liegt in den Recherchen zu einem Artikel über die Baugeschichte des Ortsmuseums Weiach. Leider hat es der Autor dabei verpasst, die Redaktion des Kunstführers auch gleich noch auf die ominöse «Römerwarte, an der Strasse nach Zweidlen» aufmerksam zu machen.

Ein weiterer Fehler (in der Ausgabe 1975, die Neuauflage übernimmt ihn nicht) ist in der Datierung des Pfarrhauses auf das Jahr 1591 zu suchen. Es ist entweder älter (Baujahr 1564), oder wesentlich jünger (Baujahr 1706/07).

Aber das ist eine Geschichte für sich.

Quellen
  • Kunstführer durch die Schweiz / Hrsg.: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, 2005 Vollst. neubearb. Ausg., 1. Aufl., Bern 2005 - Bd. 1, S. 925. (ISBN 3-906131-95-5; mit CD-ROM)
  • Kunstführer durch die Schweiz / Begr. von Hans Jenny ; Hrsg.: Gesellschaft für schweizerische Kunstgeschichte. 6., durchges. Aufl., 1975 - Bd. 1, S. 845.

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