Donnerstag, 30. März 2006

Raiffeisenloses Gebiet zugeteilt

Weiach ist zu klein. Für Grossbanken sowieso. Für kleine Banken eher auch. Es gibt zwar eine Agentur der Zürcher Kantonalbank. Doch die ist wohl auch nur präsent, weil die ZKB so etwas wie einen Versorgungsauftrag hat.

Gleich ennet der Kantonsgrenze aber, vor den Toren des Städtchens Kaiserstuhl, findet man nicht nur eine richtige kleine Bank. Sie hat sogar einen Bankomaten. Schier unglaublich. ;)

Aussenposten Kaiserstuhl

Die Rede ist von der Geschäftsstelle Kaiserstuhl der Raiffeisenbank Surbtal-Wehntal an der Badenerstrasse 122 (das ist immer noch die Gebäudeversicherungsnummerierung - so viele Häuser gibt es an dieser Strasse nicht).

Die Öffnungszeiten? Die sind primär auf lokal Ansässige ausgerichtet. Montag ist Ruhetag. Von Dienstag bis Freitag ist der Schalter von 08:30 - 11:30 und 14:00 - 17:00 offen. Am Donnerstag bis 18 Uhr. Dafür erwartet man auch am Samstagvormittag Kunden. Von 08:30 - 11:00 Uhr.

Kunden sind Mitglieder

Es hat schon eine besondere Bewandtnis mit diesen Raiffeisenkassen. 420 gibt es davon in der Schweiz. Und die Raiffeisenbank Surbtal-Wehntal ist die zwölftgrösste von ihnen; sie zählt 6000 Mitglieder. Eigentlich erstaunlich für diese aargauisch-zürcherische Randregion.

An der kürzlich abgehaltenen Generalversammlung 2005 musste für über 900 Mitglieder ein Platz gefunden werden. Die Tennishalle in Lengnau war da wohl grad gross genug. Die Generalversammlung solle «neben statutarischer Pflicht Ausdruck der Zusammengehörigkeit und der gemeinsamen Stärke sein», wurde der Präsident Ruedi Löschhorn von der Aargauer Zeitung zitiert. Quod erat demonstrandum.

Hilfe zur Selbsthilfe - in der Schweiz seit 1899

Geboren wurde das Konzept der Raiffeisenbanken, ein genossenschaftliches Modell par excellence, im Rheinland. Der Bürgermeister von Heddesdorf, Friedrich Wilhelm Raiffeisen, wollte «das Kapital da nutzbar [machen], wo es erarbeitet wurde». Und griff 1862 zur Selbsthilfe. Das war damals auch bitter nötig. Denn die damaligen Grossbanken kümmerten sich schon damals kaum um die wenig lukrativen Bereiche dessen was man heute neumodisch "Microfinance" nennt.

Er sammelte das Geld der Dorfgemeinschaft in Form von Spareinlagen und lieh es gegen Sicherheiten zu günstigen Bedingungen wieder aus - und zwar in Heddesdorf und Umgebung selber. Raiffeisens Ideen waren etwa zur gleichen Zeit noch an ganz anderen Orten ausprobiert worden. Als eines der wenigen Konzepte hat aber dieses Modell überlebt. 1899 entstand in Bichelsee im Kanton Thurgau die erste Raiffeisenbank der Schweiz.

Die Gründe sind wohl darin zu suchen, dass Friedrich Wilhelm Raiffeisen die Kreditinstitute auf genossenschaftliche Grundsätze verpflichtete. Alle Mitglieder sollten die Dienste ihrer Bank beanspruchen können und ein Recht auf Mitbestimmung haben. Im Gegenzug sollten aber auch alle mitverantwortlich für das Wirken und Gedeihen der Genossenschaft sein.

Dieser basisdemokratischen Struktur ist es zu verdanken, dass das Raiffeisen-System heute in über 100 Ländern mit rund 350 Millionen Genossenschafts-Mitgliedern verankert ist (siehe auch den Wikipedia-Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/Genossenschaftsbank)

Da die Mitglieder sich für die Geschäfte ihrer Bank mit verantwortlich fühlen, ist nicht nur die Sicherheit und Stabilität höher. Das führt offensichtlich auch eher zu einer Abstimmung des Angebots auf die Bedürfnisse der örtlichen Bevölkerung. Und dadurch, dass die Kundengelder im Geschäftskreis verbleiben, tragen sie direkt zur Entwicklung der Region bei. Nachhaltige Banktätigkeit ist also zumindest nicht unmöglich.

Weiach war raiffeisenlos

Die Raiffeisenbank Surbtal-Wehntal unterhält Geschäftsstellen in Kaiserstuhl, Schneisingen, Lengnau, Endingen, Tegerfelden sowie in Niederweningen. Man sieht ganz deutlich die aargau-lastige Ausrichtung. Das wundert auch nicht, denn im östlichen Wehntal ist ja die Bezirkssparkasse Dielsdorf tätig.

Wirklich gewundert habe ich mich aber über diesen Satz im Artikel der Aargauer Zeitung: «Mitte 2005 hat der Schweizer Verband der Raiffeisenbanken einer Zuteilung des raiffeisenlosen Gebietes Weiach zum Geschäftskreis Surbtal-Wehntal zugestimmt. Die Statutenänderung wurde mit dem erforderlichen Zweidrittelmehr angenommen. Somit gehören 14 Gemeinden im Kanton Aargau und 6 Gemeinden im Kanton Zürich zum Geschäftskreis der Bank

Besonders interessant ist das, wenn man den Geschäftsbericht der benachbarten Raiffeisenbank scannt. Die Raiffeisenbank Züri-Unterland mit Sitz in Bülach und Geschäftsstellen in Höri, Neerach, Regensdorf und dem schaffhausischen Buchberg erwähnt in einer Fussnote ihres Berichts 2005:

«Erläuterungen zu wesentlichen Verlusten, ausserordentliche Erträgen und Aufwänden sowie zu wesentlichen Auflösungen von stillen Reserven, Reserven für allgemeine Bankrisiken und von frei gewordenen Wertberichtigungen und Rückstellungen: Ausserordentliche Zahlung für Grundstückgewinnsteuern, betriebseigene Liegenschaft in Weiach

Mit anderen Worten: so raiffeisenlos war die Gemeinde Weiach also doch nicht. Musste die Raiffeisenbank Züri-Unterland zugunsten ihrer Schwesterbank den Fuss aus der Türe nehmen und deshalb ihre Weiacher Liegenschaft verkaufen?

Wie dem auch sei. Es ist jedenfalls spannend, dass im Bankbereich ein Anschluss an die aargauische Nachbarschaft erfolgt, wo vor kurzem eine langjährige kirchliche Zusammenarbeit über die Kantonsgrenze hinweg kläglich gescheitert ist.

Quellen

  • Geschäftsbericht 2005 der Raiffeisenbank Züri-Unterland, S. 29
  • Geschäftsergebnis gibt Grund zur Freude. In: Aargauer Zeitung, 29. März 2006

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