Freitag, 28. April 2006

Nur noch urwaldfreundliches Papier im Einsatz?

Am Weihnachtstag 2005 habe ich das Thema Urwaldfreundlich erstmals aufgenommen. Und versprochen, mich zu «erkundigen, wie der aktuelle Stand bezüglich Papier-Einsatz ist». Das habe ich heute morgen gemacht.

Nach Angaben des Gemeindeschreibers hat die Gemeinde den Brief vom Januar 2005 noch nicht beantwortet. Anderes sei halt dringender gewesen. Man verwende aber ein Triotec Sandwich-Technologie-Papier von Mondi Business Paper (Konzernbereich: ex-Neusiedler) das mit der TCF-Methode hergestellt werde (d.h. Totally Chlorine Free, also keine Chlorbleichung, sondern mit Sauerstoff oder Wasserstoffperoxid). Schon mal nicht schlecht.

Aber wie steht es mit der Forderung nach Verwendung von FSC-zertifizierten Frischfasern? Ist die bereits erfüllt? Weiss man, woher das Holz kommt?

Die Gemeindeverwaltung bezieht ihr Papier ausschliesslich über die KDMZ, wo die Preise vernünftig und die Qualität konstant hoch seien, sagte der Gemeindeschreiber. Natürlich seien Discounter manchmal billiger, aber das merke man dem Papier dann auch an. Da habe man nichts als Probleme mit dem Kopierer.

Nicht alles ist urwaldfreundlich - noch längst nicht

Die KDMZ teilte auf Anfrage mit, das oben erwähnte Papier sei aus FSC-zertifiziertem Zellstoff hergestellt. Auch alle anderen hochweissen und naturweissen Papiersorten in den Formaten A3 und A4 erfüllten zu 100% denselben Standard. In dieser Sache sei man auch im ständigen Kontakt mit Beat Hofer von der Koordinationsstelle Umweltschutz des Kantons (KofU).

Der Vollständigkeit halber habe ich mich noch mit der KofU in Verbindung gesetzt. Dort relativiert man allerdings die Aussage der KDMZ stark:

Es gebe nach wie vor ein grosses Problem mit der Rückverfolgbarkeit des Zellstoffs. Einige Lieferanten und Papierproduzenten spielten nicht mit offenen Karten und bei denen, die dies täten seien bedenkliche Dinge festzustellen. Zum Beispiel Zellstoff aus südeuropäischen Eukalyptus-Plantagen. Eukalyptus ist aggressiv, er verdrängt andere Pflanzen und stört den Wasserhaushalt empfindlich. In einem ohnehin schon sensiblen Ökosystem wie dem zunehmend dürrebedrohten Süden Europas ist das besonders fatal.

Mittellage aus Recyclingpapier?

Triotec wurde ursprünglich von Neusiedler entwickelt (vor 3 Jahren von der südafrikanischen Mondi aufgekauft, die wiederum dem Anglo American-Konzern gehört). Die Mittellage dieses Sandwichkonstrukts ist aus hochwertigen Büroabfällen hergestellt, das heisst: eigentlich handelt es sich fast um so etwas wie Etikettenschwindel, da nur ausgewählte Altpapier-Qualitäten verarbeitet werden können, kein eigentliches Recyclingpapier wie sich das der Laie so vorstellt.

Hier der offizielle Text dazu im Papierlexikon von Mondi:
«NEUSIEDLER hat diese weltweit einzigartige Sandwich-Technologie entwickelt. Sie ermöglicht die Herstellung von 3-lagigen Bürokommunikationspapieren. TRIOTEC®-Papiere können eine andere Mittelschicht als die äußeren Lagen haben, so dass jene Rohstofffasern genau dort eingesetzt werden, wo es ökologisch, technisch und ökonomisch am günstigsten ist. Zurzeit gibt es TRIOTEC®-Sorten mit Recyclingfaser (DIP) als Mittelschicht und TCF-Zellstoff als äußere Lagen (TCF/DIP/TCF), Varianten mit CTMP in der Mitte und ECF-Zellstoff außen (ECF/CTMP/ECF) sowie 3 Lagen TCF- oder ECF-Zellstoff (TCF/TCF/TCF und ECF/ECF/ECF – mit unterschiedlicher Faserstoffzusammensetzung).»

DIP steht für De-inked pulp: «De-Inking dient zur Abtrennung von Druckfarben aus bedrucktem Altpapier, so dass der wiedergewonnene „de-inkte“ Altpapierstoff zu hellen und weißen Papiererzeugnissen verarbeitet werden kann. Den nach dem De-Inking entstandenen Altpapierstoff bezeichnet man als DIP.)» CTMP steht für aufbereiteten Holzschliff: «Chemi-thermomechanical pulp. Ein aus Holz gewonnener Rohstoff, der chemisch, thermisch und mechanisch aufbereitet wird. Die Ausbeute beträgt dann 95 % (ähnlich wie Holzschliff). Der so entstandene Rohstoff wird nicht gebleicht, sondern in seiner gelblichen Färbung weiterverarbeitet.»

Alles Recycling oder was? Oder gar nichts?

Undurchsichtige Handelsströme - schnelle Lieferantenwechsel

Weiter ist der globale Zellstoffhandel ziemlich undurchsichtig. Vor vier Jahren hörte man, Neusiedler beziehe Frischfasern aus Kanada, was die Frage aufwarf, ob diese womöglich aus Old grown forests - also den Regenwäldern an der Westküste stammen. Neusiedler teilte damals auf Anfrage mit, dem sei nicht so, der Zellstoff komme aus Skandinavien.

Woher das Papier kommt, kann man also entweder gar nicht oder nur schwer nachvollziehen, da die Warenströme in der Regel überhaupt nicht transparent sind und sich die Bezugsquellen der Produzenten ausserdem rasch und häufig ändern.

Recyclingpapier ist immer noch besser als Frischfaserpapier

KofU-Mann Hofer machte aber auch klar, dass Triotec ganz klar kein sogenanntes Prodoppelök-Produkt sei (ein kantonales Kunstwort, mit dem im KDMZ-Katalog ein Produkt mit sowohl ökologischen wie ökonomischen Vorteilen gegenüber Konkurrenzprodukten auszeichnet wird). Triotec sei von der Umweltbelastung her näher bei weissem Papier als bei Recyclingpapier und ausserdem von Kosten her gleich wie ein weisses Papier.

Recyclingpapier sei immer noch das Papier der Wahl. Es gebe sogar einen Regierungsratsbeschluss, der die kantonale Verwaltung dazu anhalte, wo immer möglich Recyclingpapier zu verwenden. Und dort sei ein Anteil von 50% verlangt.

Da die Regeno-Palette nicht mehr produziert werde (Papierfabrik Zwingen ist in Nachlass-Liquidation), habe man eine Sorte von Steinbeis-Temming ökologisch durchgerechnet.

Interessanterweise mache der Transport bei Recyclingpapier selbst bei einer Strecke Hamburg-CH mit einem 40-Tönner nur 5% des Gesamtenergieverbrauchs aus. Bei weissen Papieren mache der Transport hingegen 15-20%. Grund dafür sind die grossen Transportdistanzen. Denn der Zellstoff wird heute mit Schiffen um den ganzen Globus herumgefahren und das Endprodukt Papier wieder in alle Welt verschickt.

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