Samstag, 12. Mai 2007

Der leibhaftige Böse in Hasengestalt

Vor etwa sechs Jahren sind in der Reihe Weiacher Geschichte(n) drei Folgen über Hexenprozesse erschienen, in die Weiacherinnen verwickelt waren.

Zitiert wurde dabei aus dem 1996 publizierten Rechtsquellen-Band über das Neuamt (s. ganz unten), in dem gleich der erste dem Stichwort Weiach zugeordnete Quellenkomplex die Hexenverfolgungen betrifft.

Gang für dich und segnen dich, es jst nit gůts

Aus dem 1539 niedergeschriebenen Geständnis der Elsa Keller, genannt Schlotter Elsi, ist in Weiacher Geschichte(n) Nr. 22 der erste Teil abgedruckt.

Hier bringen wir den zweiten Teil, in dem sie über ihre Begegnung mit einem Hasen berichtet. Protagonisten sind Elsi, ihr Mann Mathys und der Teufel:

«Jtem me hett sy veriechen [gestanden], wie sy mit dem vech uß dem Stocky syge gfaren um den mitten tag, do lege ein haß in studen. Do schlueg sy mit der růtten uff jn, do wött er nit fliechen, do růffte sy jrem Mathysen. Do rette er: "Gang für dich und segnen dich, es jst nit gůts." Das thett sy.»

«Jtem dem nach morndrigs fueren sy mit dem vech jn Francken Halden, do lege aber ein grossen hasen im acker. Do schrüwe sy: Zů hurß, zů hurß." Do rette jr man: "Schwyg, ich wil in ze tod werffen." Und wurffe also drüy mal jn jn, das es er butschty. Do rette er zů jren: "Elsy, far für, es jst der libhafft tüifel, das unns nüt gscheche und segnen dich." Dem nach, am dritten tag dar nach, do sy in Francken Halden aber gfaren syg, do syge der böß ennit dem hag gstanden, wie er den vor by jren jn der Rüty gsin syg unnd habe ein bengel jn henden ghept und zů jren gredt: „Das dich gotz küry schend, warumb hest mich lassen also werffen. Jch bin in hasen wyß da glegen." Da hab sy sich gsegnet und syge für gfaren.»

Lebendiges magisches Denken

Arme Hasen. Hätten sie die Flucht ergriffen, dann wären sie nicht mit dem Teufel verwechselt worden.

Aus dem ersten Teil des Verhörprotokolls geht hervor, dass der Teufel ihr nachstellte, weil Elsi sich ihm einmal sexuell hingegeben habe, um die von ihm versprochenen übernatürlichen Kräfte zu erlangen.

Auch die beginnende Reformation konnte die Leute offensichtlich nicht davon abhalten, felsenfest an magische Vorgänge und den Leibhaftigen zu glauben. Ob Schlotter Elsi wirklich geistig verwirrt war und nach heutigen Kriterien in psychiatrische Behandlung käme (wie in den Weiacher Geschichten Nr. 22 behauptet), ist nicht eindeutig festzustellen. Aber wie man sieht, war auch Elsis Mann und wohl etliche weitere Dorfbewohner voll und ganz von der Existenz des Teufels überzeugt. Und sie wussten auch, dass dieser in Hasengestalt auftreten könne.

Wo der Teufel damals anzutreffen war

Wie nahe der Teufel dem Dorf kam, sieht man auf dem untenstehenden Ausschnitt aus dem Flurnamenplan 1958 (StAZH O 471 c):

Die Orte, an die Elsi mit dem Vieh gezogen war, liegen westlich des Dorfes (links auf der Karte). Der Stocki (Nr. 69) ist ein sanft ansteigendes Waldgebiet auf dem Plateau, die Frankenhalde (Nr. 66) bildet den östlichen Abschluss der Schotterebene des Hasli gegen das Dorf und die leicht tiefer liegende Ebenen, z.B. des Hard.

Man darf annehmen, dass diese beiden Flurnamen im Lauf der Jahrhunderte nicht allzu stark gewandert sind. Wo allerdings 1539 die «Rüty» war, ist nicht bekannt. Das ist auch nicht verwunderlich. Denn «Rüti» ist ein sehr häufiger Flurname und bedeutet ein Stück Ackerland, von dem man wusste dass es noch nicht allzu lang her war seit seiner Rodung. Nach einigen Jahren verschwinden solche Namen oft von selber wieder, indem sie von neuen Bezeichnungen überlagert und von diesen verdrängt werden.

Quellen und weiterführende Artikel
  • Weibel, Th.: Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil. Rechte der Landschaft. Erster Band. Das Neuamt. Aarau 1996 - S. 382. [Nr. 176a Weiach. Hexenverfolgungen. Vollständig abgedruckt in: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, April 1997 – S. 10-12.].
  • Wie an und für sich normale Frauen zu Hexen wurden. Hexenverfolgungen (Teil 1). Weiacher Geschichte(n) 18. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Mai 2001 – S. 17-18.
  • Das Geständnis der Elsa Keller, genannt Schlotter Elsi. Hexenverfolgungen. Weiacher Geschichte(n) 22. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, September 2001 – S. 11.
  • «Nit glaßluter, sonnder gar ful» – ist das eine Hexe? Hexenverfolgungen (Teil 3). Weiacher Geschichte(n) 23. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Oktober 2001 – S. 10.

[Veröffentlicht am 17.5.2007]

1 Kommentar:

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Eine sehr gute Zusammenfassung von Ausmass, bekannten Ursachen und Hintergründen des Hexenwahns gibt der Historiker Markus Schär in Facts Nr. 22, 31. Mai 2007:

Jagdszenen aus der Schweiz

Der Lead lautet: «Es war kein Zufall, dass die letzte Hexe Westeuropas vor 225 Jahren in Glarus starb: Niemand jagte so eifrig nach Hexen wie die alten Eidgenossen.»