Mittwoch, 16. Mai 2007

Kolumbus-Premiere auf dem Dorfe

Wenn ein kleines Dorf die Chance hat, positive Schlagzeilen zu machen, dann muss es sie nutzen, sagte sich der Gemeinderat Weiach. Und zog einen kapitalen Hecht an Land: die Premiere einer Theateraufführung.

Am Vorabend des Auffahrtstags 2007, gastierte das Theater Kanton Zürich mit dem Stück «Kolumbus oder Die Entdeckung Amerikas» mitten im Dorf Weiach.

Hundert Sitzplätze für die Einheimischen

Das Ereignis wurde in den Mitteilungen gebührend angekündigt (siehe Bild unten), die Dorfvereine rüsteten sich für den Ansturm der Gäste und die Gemeindeverwaltung diente als Vorverkaufsstelle für immerhin 100 der 160 verfügbaren Sitzplätze.

Sie kosteten nur 15 Franken, was auch für Familien mit kleinem Budget noch erschwinglich ist. Das grössere Problem war für einige Interessenten allerdings, dass sie keine Platzkarten reservieren konnten und sie persönlich auf der Gemeindekanzlei abholen mussten.

Und so sah dann am 16. Mai, dem Tag der Aufführung, die Website des Theaters aus:

Auf einmal Weiach folgt dreimal Winterthur

Der Spielplan zeigt, dass auf die Weiacher Premiere gleich drei Aufführungen mitten in der Stadt Winterthur folgen. Das entbehrt nicht der Logik, ist doch das Theater in der Eulachmetropole zuhause.

Auch dass überall das Logo der Zürcher Kantonalbank prangt ist kein Zufall. Sie ist neben dem Kanton Zürich, der die Hälfte des Jahresbudgets von gut 3 Millionen Franken bestreitet, mit 180'000 Franken und etlichen Nebenleistungen der Hauptsponsor.

Angereist waren das Ensemble und seine Techniker mit einem Lastwagen samt Anhänger, sowie einem weiteren Transportfahrzeug. Hier der Lastwagen auf dem unteren Schulhausplatz.

Leider keine Freilichtaufführung

Auf dem Schulhausplatz zwischen Altem Schulhaus, dem neuen Schulgebäude und dem Mehrzweckgebäude hätte die in den Programmen angekündigte Freilichtaufführung eigentlich stattfinden sollen.

Aber da der Mai und der April dieses Jahr die Plätze getauscht haben, war eine Aufführung unter freiem Himmel eine zu heikle Angelegenheit. Schon am Montag stand fest, dass man sich in der Turnhalle einrichten würde.

So sah es am Nachmittag in der Turnhalle aus. Die Arena, welche sonst draussen aufgebaut worden wäre, stand nun halt in der Halle drin. Eine ganz neue Raumerfahrung.
Das aus dunklen Holzlatten gezimmerte Bühnenbild (das Schiff des Kolumbus darstellend) musste eigens auseinandergeschraubt werden, weil es nirgends eine Türe gab, die gross genug gewesen wäre um es in einem Stück in die Halle zu bringen.
Das waren die sechs Schauspieler, die zusammen achtzehn Figuren verkörperten und sich in noch mehr verschiedene Kostüme stürzten.
Einen Teil davon konnte man sehen, wenn man hinter dem Vorhang durch in die Geräteräume der Turnhalle schlüpfte. Dieser war zum Umkleide- und Requisitenraum umfunktioniert worden:
Im Gemeindesaal unter der Turnhalle bereiteten sich derweil die Dorfvereine darauf vor, die gegen 200 Gäste des Abends mit Speis und Trank zu versorgen:
Die Pfadi Weiach organisierte einen Kinderbetreuungsdienst, untergebracht in einem der Zimmer des Alten Schulhauses von 1836.
Der Countdown läuft
Um 20 Uhr waren die letzten Gäste eingetroffen und liessen sich im Foyer der Turnhalle Lachsbrötchen, Schämpis und Orangensaft schmecken, die von der Männerriege und dem FORUM Weiach verkauft wurden.
Von der Aufführung nur so viel: Die Premierengäste waren zufrieden und auch die Lacher bei besonderen Pointen kamen von Herzen.
Dass es ziemlich heiss war in der Halle, fiel so weniger auf. Nur meine Kamera (oder der Operator) war mit den etwas spärlichen Lichtverhältnissen offensichtlich überfordert, hier kurz nach der Pause vor dem zweiten Teil:
Starke Netzbelastung wegen Oberschwingungen
Die elektrischen Installationen liefen jedenfalls nach Auskunft von Gemeinderat Ernst Eberle (der eine Elektro-Firma führt) voll am Limit dessen was überhaupt möglich war. Gegen 100 Ampère zogen die vielen Scheinwerfer aus der Leitung. Ein besonderes Problem stellt die neue computergesteuerte Licht-Technik dar. Weil die Sinuskurven des Stroms gekappt und die Leistung nicht mehr an den Widerständen der Regler verbraten wird, stören Oberschwingungen das Netz im ganzen Dorf. Etliche Schaltvorgänge dürften wohl nicht ganz ordnungsgemäss verlaufen sind an diesem Abend - und wenn man den 12-KW-Boiler unter der Halle nicht abgeschaltet hätte, dann wären die Premierenbesucher plötzlich im Dunklen gesessen.
Aber dafür hat man ja die Experten. Dass sich auch Mütter und Väter kleinerer Kinder bedenkenlos dem Theatergenuss hingeben konnten, verdanken sie dem Pfadileiter Gufae (hier liegend mit rotem Hemd).
Der Lastwagen wartete immer noch bei der Postautohaltestelle und war so ein guter Blickfang direkt an der Hauptstrasse.
In der Küche des Gemeindesaals wurde eifrig abgewaschen und -getrocknet. Und dass dies nicht nur Frauensache ist, beweist dieses Foto (die Frauen wollten partout nicht aufs Bild):
Bar-Betrieb by Halbrännärs
Auch die jungen Erwachsenen beteiligten sich am Festbetrieb. Die Halbrännärs, eine Clique festfreudiger junger Männer, die vor allem aus Weiachern besteht, stellte ihre Bar-Einrichtung zur Verfügung und betrieb sie auch. Dass daneben etwas Werbung in eigener Sache gemacht wurde, versteht sich von selbst:
Bald geschafft...
Nach 70 Minuten vor und 50 Minuten nach der Pause warten hier zwei Mitglieder des Ensembles auf einen ihrer letzten Auftritte des Premierenabends:
Wer sich nun noch für den Inhalt des Stücks nach Jura Soyfer und weitere Details interessiert, dem sei die Website des Theater Kanton Zürich empfohlen, wo man auch Informationen über die weiteren Spielorte findet.

Medienecho: positiv
Von positiven Schlagzeilen war zu Beginn die Rede. Die gibt es auch, wie ein Blick in die regionale Medienlandschaft zeigt:
  • Hemmel, I.: Laue Nächte auf hoher See. In: Züritipp, 15. Mai 2007. (Vorschau des Tages-Anzeigers mit jeweils aktueller Angabe der nächsten Aufführung)
  • Brunner, K.: Christoph Kolumbus am Rhein. Weiach – Premiere des neuen Stücks des Theaters Kanton Zürich in der Turnhalle. In: Zürcher Unterländer, 18. Mai 2007.
  • Baur, L.: Politische Satire heiter inszeniert. Theater Kanton Zürich. Premiere von «Kolumbus oder Die Entdeckung Amerikas». In: Zürcher Oberländer, 18. Mai 2007. Gleichentags unter demselben Titel erschienen in: Zürichsee-Zeitung.
  • Der Erste ist immer zuletzt der Dumme und Ein Schiff wird bald kommen. In: Der Landbote, 18. Mai 2007.

[Veröffentlicht am 19. Mai 2007]

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