Sonntag, 17. Juni 2007

Gutmenschen nerven Afrikaner. Wann nützt Entwicklungshilfe?

Nach dem gestrigen sei hier grad noch einmal ein Leserbrief abgedruckt. Er stammt vom Kommunikationsberater Hanspeter Bühler-Racle - auch einer der in diesem Bereich aktiven Weiacher (vgl. die WeiachBlog-Einträge DJ Bobo an den Karren gefahren und Israel, Gaza und Zidane).

Der nachfolgende Beitrag wurde ebenfalls auf der Forum-Seite des Zeitungsverbundes Zürcher Landzeitung (Neues Bülacher Tagblatt zusammen mit Zürcher Unterländer) vom 13. Juni abgedruckt:

Laute Gutmenschen für Afrika

«Der nigerianische Literaturnobelpreisträger Woyle Soyinka ist auf laute Gutmenschen wie beispielsweise den Rocksänger Bono nicht gut zu sprechen. «Der hält uns wohl für blöde», sagt er über den Iren und dessen Bemühungen, die Welt auf das Schicksal Afrikas aufmerksam zu machen - beziehungsweise, was er dafür hält. «Diese Bonos, Geldofs und wie sie alle heissen, sagen, dass man uns helfen muss, und unterstellen damit, dass wir dazu nicht selbst in der Lage sind», schimpft der Nigerianer: «Das ist Rassismus.» Wie Soyinka denken mittlerweile viele in Afrika. Nur will das in den Industrieländern niemand zur Kenntnis nehmen. Das beste Beispiel ist der G-8-Gipfel in Heiligendamm und die neuerliche Diskussion über eine drastische Erhöhung der Entwicklungshilfe. Von bis zu 50 Milliarden Dollar für Afrika bis 2010 ist die Rede. Seit 1960 sind schätzungsweise 500 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe in Richtung Schwarzer Kontinent geflossen. Heute ist das Lebensniveau teilweise sogar noch unter das der späteren Kolonialzeit gefallen. Der kenianische Wirtschaftswissenschaftler James Shikwati plädiert deshalb für ein sofortiges Ende jeder Entwicklungshilfezahlungen. Sie habe die Korruption nur gefördert und gleichzeitig zur Entmündigung Afrikas geführt.

Dass diese Haltung von Schwarzafrikanern stammt, ist gut, denn wenn wir von der Ersten Welt solche Statements abgeben würden, würde uns Rechtsextremismus und Rassismus unterstellt. Wer aber die Verhältnisse wie ich in Afrika seit Jahrzehnten erlebt hat, weiss, dass diese weitsichtigen Schwarzafrikaner klar erkannt haben, dass die Finanzierung durch Entwicklungshilfe eine endlose unglückselige Spirale darstellt. Ihre Eigenverantwortung werden die Völker Afrikas damit nie erreichen. Aber da das Interesse des Westens an einem unterentwickelten Afrika grösser ist als an einem emanzipierten, wird es wohl so weitergehen. Der Grossteil der Politiker an der Spitze der westlichen Nationen sind Marionetten der wirtschaftlichen Interessen und haben kein Rückgrat zu helfen diesen Teufelskreis zu durchbrechen. So hat auch dieser G-8-Gipfel geendet: Der Berg wird eine Maus gebären.
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Ich sehe die Angelegenheit ähnlich kritisch wie Bühler und die zitierten Afrikaner. Der Vers des römischen Dichters Horaz aus De arte poetica, 139: "Parturient montes, nascetur ridiculus mus." (sinngemäss übersetzt: Wenn Berge gebären wird eine lächerlich kleine Maus geboren) passt wirklich auf die Entwicklungshilfe der letzten Jahre, wenn man die Wirkung für den kleinen Mann betrachtet.

Wie man den gordischen Knoten zerschlägt

Was wäre denn nun wirklich nützliche Entwicklungshilfe? Wirklich von Nutzen ist sie nur dann, wenn sie geeignet ist, breite Bevölkerungsschichten Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen.

Das erreicht man nicht mit Milliarden, die in gigantischen Infrastruktur-Projekten versickern - und die damit fast ohne Umwege wieder in die Industriestaaten zurückfliessen, sei es in Form von Aufträgen für Maschinen oder in Form von Rohstoffen, die in Afrika lediglich abgebaut und abtransportiert, dann aber anderswo zu hochwertigen Konsum- und Investitionsgütern veredelt werden. Von dem in Korruptionssümpfen versickernden Anteil, der letztlich auch wieder bei uns landet (Bankkonten, Immobilienbesitz am Genfersee etc.) ganz zu schweigen.

Das geht nur über unspektakuläre Basisarbeit durch vorgelebtes Beispiel. Man kann eine Gesellschaft nicht von der prekarisierten agrarischen Subsistenz direkt ins Atomzeitalter beamen. So etwas ist nicht nachhaltig. Viel wichtiger ist es, den eigenverantwortlichen Aufbau eines tragfähigen Netzes von Kleinunternehmen zu fördern, indem man die für sie unabdingbaren stabilen Rahmenbedingungen schafft. Dazu könnte u.a. ein funktionierendes Mikrokredit-System beitragen.

Dazu gehört aber auch die Politik. Um diese zu transformieren müsste man aber etlichen korrupten Regierungen und Machtsystemen den Marsch blasen - solchen der G8-Staaten wie solchen afrikanischer Länder. Dies wäre wahre Entwicklungshilfe.

Quelle
  • Bühler-Racle, H.: Laute Gutmenschen für Afrika. Leserbrief. In: Zürcher Landzeitung/ZU/NBT, 13. Juni 2007 - S. 11.

[Veröffentlicht am 2. November 2007]

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