Freitag, 25. April 2008

Subprime-Krise im Staate Zürich?

Auf der Website www.zuerich-geschichte.info findet man nicht nur den aktuellsten Führer durch die Archive der Zürcher Gemeinden. Dort sind auch diverse Beiträge des früheren Zürcher Staatsarchivars Otto Sigg abrufbar.

Sigg hat sich intensiv mit der Zeit des 16. Jahrhunderts befasst. Und das nicht von ungefähr. Denn in diese Zeit fällt eine der stärksten Umgestaltungen des sozialen Gefüges des heutigen Kantonsgebiets der letzten tausend Jahre - von den Folgen der industriellen Revolution einmal abgesehen. Auch Weiach wurde von dieser Entwicklung nicht verschont.

Massives Bevölkerungswachstum

Da war einmal die Bevölkerungsexplosion. Zählte man noch im Jahre 1467 (knapp zwei Jahrzehnte nach dem verheerenden Alten Zürichkrieg) rund 28'000 Einwohner auf der Zürcher Landschaft, so waren es fünfzig Jahre später, zur Zeit der Reformation, bereits fast doppelt so viele (Schätzungen gehen von 48'000 bis 59'000 Einwohner). Diese Menge Menschen vermochte aus den Erträgen der Landwirtschaft grad noch ernährt zu werden. Bis in die 1540er Jahre genügten die Bestrebungen zusätzliche Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung zugänglich zu machen. Das zeigt sich u.a. daran, dass man noch 1545 im wesentlichen die Hofeinheiten des Spätmittelalters vorgefunden habe, schreibt Sigg.

Massiv steigende Grundstückpreise bei stagnierenden Löhnen

Bereits wenige Jahre später war die Bevölkerung jedoch zu zahlreich. Das hatte in Verbindung mit einer inflationären Zunahme der Grundstückpreise, mit welchen die Löhne der einfachen Bevölkerung nicht Schritt hielten, verheerende Folgen.

Viele Zürcher verschuldeten sich in der Hoffnung, ihr Land behalten zu können, massiv - und das auch noch zu Wucherzinsen von 15% und mehr. Eine Rechnung, die kaum aufgehen konnte. Vor allem, wenn noch Missernten dazu kamen. Dann nahm nämlich auch die Spekulation mit Lebensmitteln extreme Ausmasse an - was vor allem in der Zeit der grossen Missernten nach 1570 der Fall war.

Regierung versucht Gegensteuer zu geben, scheitert aber

Schon kurz zuvor lag aber sehr viel im Argen, wie das folgende obrigkeitliche Mandat von 1566 deutlich macht, das Sigg transkribiert hat:

«Nachdem unser gnedig Herren Burgermeister unnd Rath ... bißhar ougenschynlich gesechen und befunden, das die Iren von Statt und Land sich von wegen der Theillungen der Gütern unnd das sich niemantz meer mit dem andern lyden noch vertragen welle, ouch den schweren grossen Köuffen der Gütern und Ußstürung selbs leider dahin gebracht, das wenig rechter grosser Huß, Eeren noch Höfen meer byeinandren, sonder das dieselben Hof meeteyl wider Brief und Sigel ouch hinderrucks der Lehenherren und Amptlüthen getheylet, verkoufft unnd gar vil alter Gschlechten inn Dörffern und Höfen sich selbs gar von Höfen unnd inß Verderben und Ellend grichtet und anderen, so uff ire Hof gesessen, mit Schmertzen zusechen, nebent
dem, das dann etwan die, so soliche schwere Köuf than, uff Zil und Tag nit hallten mögen, mit grossem Kosten Gelt zu entlechnen nachwerben, dasselb wol alß baldt nit funden unnd also mit grösstem Schaden unnd Verderben die Güter wider lassen unnd darvon müssen, unnd das die Sach leider dahin gerathen, das die Höf und Güter nit allein zerstuckt sonder dermaßen mit Zinsen beschwert wordenn, das mittler Zyt nit müglich syn wurde, daruff zuhusen, zudem das dann etliche, ihre Noth zelöschen, Höltzer und anders uß und ab den Erb- und Handtlehengütern verkouffind, dieselben [die Hölzer] nit inschlachind [im Sinn von: nicht aufforsten] und also damit handlind, als wann ire Nachkommen nit meer hußhallten ald sich erneren sölten.
» (Quelle: StAZH C II 10 Obmannamt, Nr. 688)

Die Obrigkeit zu Zürich versuchte verzweifelt, das geltende Teilungsverbot für Höfe wieder durchzusetzen, was ihr allerdings nicht einmal ansatzweise gelungen ist. Dazu war die Krise zu tief und die Gegenmassnahmen gingen nicht an die Wurzel der Misere.

Das oben Beschriebene erinnert fatal an die Auswirkungen der Subprime-Krise in den USA. Auch dort haben viele ihre Häuser zu stark belehnt - und verlieren jetzt alles. Mit schlimmen Auswirkungen. Wie schreibt doch Sigg:

«Mit der Zersplitterung ging also naturgemäss auch eine Verarmung und Verschuldung einher. Die sprunghaft gestiegenen Landpreise erlaubten beispielsweise Hypothekarbelastungen, die in keinem Verhältnis zum Einkommen mehr standen; Kapital war aber notwendig, um die zahlreicheren Geschwister abzufinden; usw.»

Mit ein Grund für den Niedergang im Kanton war das Aufkommen des Kapitalismus und die Europa erfassende Inflation, welche sich durch den Zufluss von Silber aus den neu erschlossenen Kolonien Spaniens ergab.

Quelle

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Massiv steigende Grundstückpreise bei stagnierenden Löhnen

Klingt nach der heutigen Situation!

Absurderweise wird nun auch das Mieten verteuert, durch die Bindung der Mieten an die Teuerung. Gerade im Moment, wo die Teuerung wieder relevant wird und die Reallöhne noch mehr sinken lässt, werden die Mieten daran gekoppelt, sogar mit dem Segen der Linken … :(