Montag, 1. März 2010

Als Kleriker noch Leibeigene tauschten

Heute am 1. März vor genau 600 Jahren wurde auf Pergament eine Transaktion zwischen zwei regionalen Kirchenfürsten besiegelt, die heute mehr oder weniger unter das Kapitel Sklaverei fallen würde.

Der auf die entsprechende Urkunde bezugnehmende Eintrag Nr. 5597 im Band 4 der Urkundenregesten des Staatsarchivs des Kantons Zürich lautet wie folgt:

«5597 St. Blasien 1. März 1410

Johans, Abt von St. Blesÿ, verurkundet, dass er mit dem Bischof Albrecht von Costentz seine Leibeigene Mechthild von Wyach, Frau des Heintz Meigers, mit ihren Kindern gegen Gret …erin (Name unlesbar), Frau des Clewi Kesslers von Rekon
[Rekingen AG], mit ihren Kindern tauscht.

Der Abt siegelt.

StAZ C V 6 Schachtel 2.32. Original, Pergament. Vom Siegel nur noch Schlitz vorhanden.
» [Nachtrag vom 20.7.2016. Neue Signatur des Originals: StAZH C V 6.2, Nr. 32]

Wohnhaft in der Chälen?

Mechthild und ihre Kinder wechselten also ihren Status von der Leibeigenen des Klosters St. Blasien zu einer des Fürstbischofs von Konstanz. Ob die Betroffenen einen Unterschied feststellten ist nicht bekannt. Und auch der genaue Grund für diese Transaktion ist noch nicht geklärt.

Möglich wäre es, dass das bebaute Grundstück und/oder der Ehemann von Mechthild bereits dem Bischof gehörten. Jedenfalls macht es Sinn anzunehmen, dass Bischof Albrecht und der Abt Johann von St. Blasien mit diesem Tausch eine Interessenentflechtung anstrebten.

Gesichert ist es jedenfalls, dass ein Heintz Meiger in Kellen (Heinz Meier in der Chälen) am 1. April 1437 als Zeuge an einer Gerichtsverhandlung anwesend war. (StAZH C V 7 Schachtel 2 Nr. 51.)

Und der Wohnort Chälen (vgl. den Begriff «Kelnhof») deutet darauf hin, dass Meier tatsächlich ein Eigenmann eines geistlichen Stifts gewesen sein könnte.

Leibeigene haben mehr Rechte als Sklaven

Der Begriff «Leibeigener» wurde übrigens im deutschen Sprachraum erst später (um 1500) gebräuchlich. Vor 600 Jahren wurden persönlich Abhängige in der Deutschschweiz noch häufiger als «Eigenleute» bezeichnet. Dabei handelt es sich um mehr oder weniger fix zu einem Hof gehörige Arbeitskräfte, die man aber im Gegensatz zu heute auch separat (und nicht nur als Teil einer Firma) verkaufen konnte.

Eigenleute stellten für ihre Herren also einen Vermögenswert dar, welcher auf ihrer Arbeitskraft (zu leistende Frondienste) und ihrem Steuerertrag (zu entrichtende Steuer) beruhte und nicht primär auf ihrer Person selbst. Bei einem Hofverkauf wechselten die ihn bewirtschaftenden Eigenleute zum neuen Eigentümer.

Eigenleute waren also keine Sache (wie Sklaven). Sie waren wirtschaftlich von ihrem Herrn abhängig, hatten jedoch eine eigene Rechtspersönlichkeit - wenn auch mit eingeschränkten Rechten was die Erbfähigkeit, das Recht zu heiraten und die Personenfreizügigkeit betrifft. Schon im 14. Jahrhundert durften sie sich selber vor Gericht vertreten, waren also gerichtsfähig.

Im Gegensatz zur Sklaverei waren die vom Leibeigenen zu leistenden Dienste begrenzt. Leibeigene durften auch Privateigentum besitzen - dies ebenfalls im Gegensatz zu Sklaven.

Quellen

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