Freitag, 16. Juli 2010

Der Obervogt durfte nicht dreinreden

Dass die Gemeindeautonomie früher höher gehalten wurde als heute, belegt der folgende Abschnitt aus dem dreibändigen Standardwerk «Geschichte des Kantons Zürich» von 1997:

«Den im Spätmittelalter entstandenen Gemeinden beliess Zürich einen hohen Grad von Selbstverwaltung, so dass sie in der Gestaltung ihrer inneren Verhältnisse weitgehend autonom waren. [Fn 128: von Wyss: Abhandlungen zur Geschichte des öffentlichen Rechts, p. 89ff.] Hauptsächlich ging es dabei um die Nutzung der Allmenden, die Anlage von Feldwegen und Brunnen, die Verwaltung des Gemeindeguts und die Aufnahme neuer Bürger und Hintersassen. Den Land- und Obervögten, in den Gerichtsherrschaften auch den Gerichtsherren, stand im wesentlichen nur ein Kontrollrecht zu, das sich vorwiegend auf die Rechnungsführung erstreckte. Im übrigen schritt die Obrigkeit in der Regel nur dann ein, wenn die Untertanen dies wünschten oder wenn in einer Gemeinde zwei Fraktionen miteinander stritten. So wandten sich etwa 1596 die «Ältesten und Ehrbaren» der Gemeinde Weiach mit einer Liste von «Missbräuchen und Unordnungen», die sich in der Gemeinde eingeschlichen hätten, an den Obervogt des Neuamts, worauf eine Ratskommission der auch ein Bürgermeister angehörte, eine Gemeindeordnung ausarbeitete. Diese wurde anschliessend in der Kirche von Weiach verlesen und von den Dorfbewohnern mit Dank angenommen.» [Fn 129: RQNA p. 406ff.]

Wenn man das oben Ausgeführte einmal mit dem heutigen Zustand vergleicht, wo die Gemeinderäte bald nur noch als verlängerter Arm der Verwaltungsmaschinerie in Zürich, Bern und Lausanne (Sitz des Bundesgerichts) fungieren und deren Dekrete umsetzen müssen, dann erkennt man, wie sehr die Gemeindeautonomie im Vergleich zum Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit heute ausgehöhlt worden ist.

Etwas pointiert könnte man sagen: aus Sicht der Gemeinden ist die heutige Situation in gewisser Hinsicht schlimmer als zur Zeit der Landvögte.

Quelle
  • Geschichte des Kantons Zürich, Zürich 1997, Bd. 2 - S. 48 [Abschnitt: Die Gemeindebehörden]

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