Freitag, 1. Juli 2011

«Staatlich geförderte Ueberfremdung»? Replik des Gemeindepräsidenten

Dass der im Bergbau gross gewordene deutsche Familienkonzern Haniel Anfang 1961 den Kiesabbauvertrag der Gebrüder Aymonod erben konnte, störte einige Schweizer Unternehmer ganz gewaltig.

Noch mehr missfiel ihnen, dass der Regierungsrat des Kantons Zürich bei der zu gründenden Weiacher Kies AG gar als Minderheitsaktionär einsteigen und dem Kanton damit Kieslieferungen für den Autobahnbau sichern wollte (vgl. den Beitrag von gestern und die dort aufgelisteten weiterführenden Artikel).

Die Gegenkampagne nahm merklich an Fahrt auf, als diese Gruppierung beschloss, den überfremdungspolitischen Zweihänder aus dem Medienarsenal zu nehmen und damit auf die Gemeinde Weiach einzudreschen (vgl. WeiachBlog vom 30.6.2011).

Vorwürfe, ausgerechnet ein Gemeinwesen leiste dem Ausverkauf der Heimat Vorschub, konnten die politisch Verantwortlichen nicht auf sich sitzen lassen. Der damalige Weiacher Gemeindepräsident Albert Meierhofer-Nauer zeichnete als Verfasser einer Erwiderung. Sie erschien unter anderem im «Zürichbieter» vom 13. Juli 1961 (fett gehaltene Stellen wie in der Originalvorlage):

Erwiderung

«Ende Juni und anfangs Juli 1961 sind in einem Teil der zürcherischen Presse Artikel der SPK und der SFP erschienen unter dem Titel «Weiacher Kies im wirtschaftspolitischen Blickfeld» oder «Staatlich geförderte Ueberfremdung», die mich persönlich veranlassen, den Lesern einige Richtigstellungen zu unterbreiten:

Seit 1957 bestand ein Vertrag der Gemeinde Weiach mit der schweizerischen Firma Aymonod, Muttenz und Pratteln BL, für das Ausbeutungsrecht von ca. 4 ha Kiesboden. Jahre vergingen, es war den Vertragspartnern nicht möglich, auch bei Grossfirmen in Zürich Interesse für Kieslieferungen von Weiach zu wecken. Familiäre Verhältnisse der genannten Firma führten dazu, sich nach andern Interessenten umzusehen. Im Laufe des Monats November 1960 ersuchte die Firma Aymonod um Zession ihres Vertrages an die Firma Franz Haniel AG., Basel (Firma schweizerischen Rechtes). Der Gemeinderat Weiach war mit der Abtretung an die Firma Haniel einverstanden und räumte dieser Firma das Recht ein, Bohrungen vorzunehmen, um über die Qualität des Kiesmaterials Aufschluss zu erhalten, aber auch informiert zu sein über die vorhandene Tiefe des Lagers. Die erste Vertragspartnerin (Firma Aymonod) hatte die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinde Weiach in jeder Weise erfüllt, trotz des für sie negativen Ausbeutungsergebnisses. Das Ergebnis der Kiesuntersuchungen war ein gutes. Es wurde nur gewünscht, dass die Fläche zur Ausbeutung wesentlich vergrössert werde.

Während Verhandlungen mit der kantonalen Baudirektion über die Erteilung der erforderlichen Schürfbewilligung bereits soweit gefördert waren, um abgeschlossen werden zu können, machten sich andere schweizerische Firmen heran und zeigten in ganz auffälliger Weise ihr Interesse an den Kiesvorkommen in Weiach.

Da für den Gemeinderat die vertraglichen Bindungen der Gemeinde bestanden, konnte aus rechtlichen Gründen, aber auch aus Gründen des moralischen Anstandes keine andere Firma berücksichtigt werden.

Schon bei diesen Verhandlungen mit den verspätet aufgetretenen Interessenten haben wir erklärt, wie sonderbar es sei, dass nun plötzlich, nachdem Resultate vorlagen, der Weiacher Kies ins Blickfeld der Oeffentlichkeit rückte. Ebenso sonderbar ist es, dass jetzt besonderes Interesse vorhanden zu sein scheint, weil sich die Basler Firma für Lieferungen in erster Linie an den Kanton Zürich bereit erklärt hat.

Es ist also wirklich kein Grund vorhanden, der Gemeinde Weiach Moral predigen zu müssen wegen Ueberfremdung des Schweizer Bodens, denn der Boden bleibt Eigentum der Gemeinde. Vielmehr ist zu befürchten, dass nunmehr wilde Spekulation von seiten schweizerischer Unternehmungen unsere Fürsorge für die Erhaltung des kulturfähigen Landes zunichte machen, weil diese sich nun bemühen, Privatland aufzukaufen.

Es berührt sonderbar, dass sich um unser Kiesvorkommen vor Bekanntwerden des Bohrungsergebnisses niemand kümmerte. Jedenfalls sind Belehrungen für gewisse andere eher angebracht! Wieviel besser wäre es auch für die Presse, wenn sie sich richtig und objektiv informieren und dann ihre Belehrungen entsprechend formulieren würde, damit sie Früchte brächte für Menschlichkeit und geraden, aufrechten Schweizersinn!

A. Meierhofer, Gemeindepräsident
»

Wer zu spät kommt...

Viel ist dem nicht mehr beizufügen. Ausser vielleicht das: die Firma Haniel sah nicht nur den kommenden Absatzmarkt im richtigen Licht, sie hatte auch Erfahrung mit Abbautechnik im industriellen Massstab und hat überdies die Zeichen der Zeit bezüglich Transportlogistik erkannt.

Dass der Kies von Weiach per Bahn auf die Autobahnbaustellen der N3 von Zürich-Brunau Richtung Walensee geliefert wurde (und nicht per Lastwagen), war nicht nur ein Anliegen der Kantonsregierung, welche von «Kiesbombern» verursachte Lärmbelastung und verstopfte Strassen befürchtete. Kiestransport mittels Eisenbahnzügen kostete ganz einfach weniger. Klotzen statt kleckern lohnte sich auch finanziell.

Die Schweizer Konkurrenz hat diese Entwicklung schlicht verschlafen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Keine Kommentare: