Freitag, 5. August 2011

Holderbank wollte ein Kies-Monopol

Als neunter und letzter Redner in der Parlamentsdebatte des 9. Oktober 1961 kam mit Dr. Paul Meierhans der zuständige Regierungsrat zu Wort. Er hatte die Vorlage («610 Beschluss des Kantonsrates über die Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach») als Vertreter der Exekutive vor den Rat gebracht und verteidigte sie dort auch.

Für grosses Bauprogramm verantwortlich

Meierhans war von 1950 bis 1963 im Zürcher Regierungsrat, «wo er als Vorsteher der Baudirektion beim Bau des Flughafens Zürich-Kloten sowie der ersten Autobahnen federführend war.» (Quelle: Wikipedia-Artikel über Paul Meierhans).

In der Online-Ausgabe des Historischen Lexikons der Schweiz (e-HLS) findet man über den aus dem Aargau stammenden Lehrer, Doktor der Volkswirtschaftslehre, Journalisten und SP-Politiker noch weitere Details: «Zürcher Regierungsrat (Baudirektion), bei der Wahl 1963 als überzählig ausgeschieden.»

Dass bei diesem Mann die Bezeichnung Baudirektion wortwörtlich zu nehmen war, zeigt eine weitere Passage aus dem e-HLS: «Während der "Ära Meierhans" realisierte der Kt. Zürich ein Bauprogramm von über 2 Mrd. Fr., darunter den Bau und Ausbau des Flughafens Kloten sowie die ersten Autobahnen.» Meierhans setzte sich auch für den Bau des ersten Schweizer Atomkraftwerks Beznau I ein.

Der Kanton muss neue Wege beschreiten

In seinem Votum versuchte der Baudirektor, die gerade vorgebrachten Bedenken der Kommissionsmehrheit und ihrer Redner zu zerstreuen und so das Blatt zu wenden [Abschnitte und Zwischentitel durch WeiachBlog gesetzt]:

«Regierungsrat Dr. P. Meierhans gibt bekannt, der Regierungsrat halte an der Vorlage fest. Der grosse Kiesbedarf des Kantons erfordert die Anwendung neuer Methoden. Die Eröffnung eigener Kiesgruben kam nicht in Frage, da dafür wohl keine Mehrheit im Kantonsrat gefunden worden wäre. Andere Kantone, beispielsweise die Waadt, haben grosse Kredite für den Ausbau eigener Kieswerke bewilligt. Zürich hat schon frühzeitig Anstrengungen unternommen, um in Rafz, aber auch im Reusstal Kiesgruben zu erwerben. Die privaten Unternehmen sind ihm aber überall zuvorgekommen. Der Betrieb eigener Kiesgruben hätte bedeutende Installationen sowie die Anstellung zusätzlichen Personals erfordert.

Bei der beabsichtigten Beteiligung an der Haniel AG dagegen werden die Gruben nicht vom Kanton, sondern von der Gesellschaft ausgebeutet. Für wichtige Beschlüsse in einer AG braucht es eine Zweidrittelsmehrheit. Diese kann der Mehrheitsaktionär nur im Einverständnis mit dem Kanton erreichen. Die Position des Kantons wäre also innerhalb der Gesellschaft sehr stark. Wenn die Kieswerke in Weiach ausgebeutet sind, fällt das Land wiederum der Gemeinde Weiach zu, denn die Firma hat ja nur das Recht auf Ausbeutung erworben.

Kein anderes Kieswerk ist schon nächstes Jahr für Lieferungen bereit; selbst Holderbank wird frühestens in einem Jahr Kies aus Hüntwangen liefern können. Die Projektierungen für das Werk Weiach sind abgeschlossen, die Verträge mit der SBB unter Dach und die Installationen können schon morgen vergeben werden.
»

Warum Holderbank opponiert

«Die scharfe Opposition der Holderbank AG ist daraus zu erklären, dass das Zementgeschäft gegenüber der Betonverarbeitung zurückgehen wird. Holderbank möchte deshalb den nötigen Ausgleich schaffen und auch im Betonelementbau Fuss fassen. Hier aber fürchtet es vor allem die Konkurrenz grosser Unternehmen, wie beispielsweise der Haniel AG, die in dieser Branche in Deutschland grosse Erfahrungen gesammelt hat.

Der Delegierte des Verwaltungsrates der Holderbank AG schrieb am 28. Dezember 1960 dem Direktor der Haniel AG Dortmund einen Brief, worin er versuchte, die Haniel vom schweizerischen Kiesgeschäfte abzuhalten. Er verweist in diesem Brief auch auf die grosse Empfindlichkeit des Schweizers in Fragen der Überfremdung des Bodens. Die Aktivität beider Firmen im Zementgeschäft könnte zu ernsthaften Kollisionen und vor allem zu unerwünschten Diskussionen in der Öffentlichkeit führen. Haniel solle sich aus dem Kiesgeschäft zurückziehen, da die Schweiz für beide Gesellschaften zu klein sei. Mit diesem Brief hat die Holderbank AG aber bewiesen, dass sie ein Monopol anstrebt.
»

Obenstehender Abschnitt brachte WeiachBlog überhaupt erst auf die Idee, die Verantwortlichen der Firmenarchive von Haniel und Holderbank darum zu bitten, in ihren Beständen nach diesem Schreiben zu suchen. (Im Haniel-Archiv waren tatsächlich zwei Hinweise zu finden: vgl. Trotz Spionage kein Direktangriff: Haniel hält sich still, WeiachBlog, 12. Juli 2011, Nr. 1018; sowie Haniel fühlt sich durch Holderbanks Angriff bestätigt, WeiachBlog, 13. Juli 2011, Nr. 1019.)

[Auch hier übrigens wieder der schon im WeiachBlog vom 15. Juli 2011 (Votum des Kommissionspräsidenten) eingebaute Irrtum: «Dortmund» statt «Duisburg».]

Kein Recht auf Monopol-Rente

Meierhans fuhr weiter: «Haniel steht kein Exklusivrecht auf staatliche Lieferung zu, da es zu marktkonformen Preisen liefern muss; marktkonform aber heisst: Selbstkosten plus normaler Unternehmergewinn. Die Lieferungen für den Nationalstrassenbau werden ausgeschrieben werden. Wenn die Haniel teurere Offerten unterbreitet als andere, so kommt sie nicht zum Zuge.

Bei einer Beteiligung an der Weiach AG könnte der Kanton gegenüber den bisherigen Offerten allein für den Bau der linken Höhenstrasse mindestens 2 Millionen Franken einsparen.
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Damit war es bereits Mittag geworden und der Ratsvorsitzende E. Gugerli meldete sich zu Wort: «Der Vorsitzende teilt mit, dass noch vier Redner eingetragen seien», und schloss um 12:15 Uhr die Sitzung. Die Debatte war somit vertagt bis zur nächsten Sitzung in acht Tagen.

Das Protokoll aus dem wir zitiert haben, hat W. Ciocarelli verfasst. Es wurde vom Büro des Kantonsrates an dessen Sitzung vom 16. November 1961 genehmigt.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1793-1794. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

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