Donnerstag, 5. März 2015

Pneumatische Orgeln: früh ein Sanierungsfall

Die erste richtige Orgel in der reformierten Kirche Weiach wurde 1930 eingebaut. Und bereits in den 60er-Jahren war dieses Instrument ein Abbruchobjekt! Weniger als 40 Jahre - das ist für eine Kirchenorgel kein Alter. Wie kam es dazu?

Dass die Kirchgemeinde nicht gerade Glück mit diesem Instrument hatte, wurde bereits kurz nach der Einweihung klar: «Problemlos war der Umgang mit dem neuen Schmuckstück nicht. 1932 gab es «Störungen wegen Feuchtigkeit». Das gewählte pneumatische System ist auf Temperaturschwankungen ganz besonders anfällig. Holz arbeitet, was Ventile klemmen lässt.» (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 68).

Der im Rahmen der grossen Gesamtrestauration der Kirche ab 1965 beigezogene Experte riet schliesslich gar davon ab, auch nur noch einen Franken in diese Kuhn-Orgel zu investieren. Die Spielart sei ungenau und das hänge ursächlich mit dem pneumatischen System zusammen (vgl. WeiachBlog vom 14. September 2006).

Eine Frage der Traktur

Das System, das da Probleme machte, ist eines der Herzstücke einer Orgel, die sogenannte Traktur. Der entsprechende Wikipedia-Artikel erklärt: «Als Traktur bezeichnet man bei der Orgel einerseits die Verbindung zwischen den Tasten und den Spielventilen (Spieltraktur oder Tontraktur) und andererseits das System zum Ein- und Ausschalten der Register (Registertraktur).»

Der Abschnitt über die pneumatische Ausführung spricht die Schwachstellen deutlich an: «Ein Hauptbestandteil jeder pneumatischen Traktur ist eine große Zahl kleiner Bälgchen, Taschen und/oder Membranen. Je nachdem, wie zugänglich diese in den Windladen verbaut wurden, konnte es bei einer Wartung oder Reparatur Probleme geben. Ein ganz besonderer Nachteil war jedoch, dass diese Bauteile recht störanfällig waren und oft schon nach wenigen Jahrzehnten komplett ausgetauscht werden mussten. (Eine solide mechanische Traktur kann hingegen mehrere Hundert Jahre halten.) Das Fehlen eines spürbaren Druckpunktes beim Anschlagen einer Taste ist ein weiterer Nachteil der pneumatischen Traktur.»  (https://de.wikipedia.org/wiki/Traktur#Pneumatisch)

Nicht nur ein Weiacher Problem

Die Einschätzung, dass viele Besitzer pneumatischer Orgeln mit denselben Problemen kämpf(t)en wie die Weiacher, bestätigt ein Tages-Anzeiger-Beitrag von Ende Januar 2015 über die Inhaber der Orgelbaufirma Metzler in Dietikon (vgl. auch https://de.wikipedia.org/wiki/Metzler_Orgelbau). Das Familienunternehmen baut mittlerweile seit über 125 Jahren Kirchenorgeln, da kommt einiges an Erfahrung zusammen:

«Etwas nostalgisch blicken sie [Andreas und Mathias Metzler] auf die Boomzeit des kirchlichen Orgelbaus zurück: In den 60er- bis 80er-Jahren musste man die vielen qualitativ schlechten pneumatischen und elektrischen Orgeln aus der Vorkriegszeit ersetzen. Wobei der Trend weg von der romantischen Orgel, zurück zu den Wurzeln ging, also zu den barocken und mechanischen Orgeln. Auch im Grossmünster ersetzte Vater Hansueli Metzler die kaputte pneumatische Orgel durch eine mechanische, die sich besonders für barocke Musik, Bach und moderne Kompositionen eignet. Es war die erste grosse Orgel, die wieder eine mechanische Spieltraktur (Verbindung von den Tasten zu den Ventilen) hatte, versehen neuerdings mit einer elektrischen Koppelung.» (TA, 30.1.2015)

Offenbar alles eine Frage der Traktur. So gesehen ist es kein Wunder, dass die erste Weiacher Orgel nicht lange durchhielt.

Quelle
[Veröffentlicht am 21. Juli 2015]

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