Samstag, 10. September 2016

Ein «krieg und misshelli» um die Klotener Güter in Wiach

Eines der ältesten Dokumente in deutscher Sprache, in dem es direkt um Weiacher Belange geht, wurde im Februar 1309 geschrieben (UBZH Nr. 2960). Diesen Text hat WeiachBlog unter dem 9. September erstmalig elektronisch publiziert (vgl. WeiachBlog Nr. 1309).

Die Herren von Kloten im Ausverkauf

Es ging um einen Verkauf von landwirtschaftlichen Gütern auf dem Gebiet von Weiach an das Kloster Oetenbach. Verkäufer war gemäss Originaltext ein «Růdolf von Kloton», im Regest der UBZH-Edition «Rudolf Kloter» genannt.

Schon in der Fussnote zum Originalnamen äussern die Bearbeiter aber indirekt die Vermutung, es handle sich bei dieser Person um einen Angehörigen des Adels («Ein Heinrich von Kloten, doch wohl vom Zürcher Rittergeschlecht, war Zeuge des Verkaufs des Hofes Weyach durch Lütold von Regensberg ans Kloster Oetenbach; vgl. oben V nr. 1798.»).

Die Urkunde Nr. 2960 hält fest, dass dieser «Růdolf» freies Eigen in Wiach besass. Er bestätigt vor Zeugen, dass «dui vorgenanden gueter sin frie eigen» gewesen seien. Der Umstand, dass die Stadtherrin von Zürich, Äbtissin Elisabeth von Matzingen, den Verkauf ratifiziert und die neuen Besitzer mit dem Gut belehnt hat, spricht ebenfalls für einen Adeligen.

Ein weiteres Beweisstück stellt die Urkunde UBZH Nr. 2902 dar: Hermann und Johannes von Kloten verkauften 1307 den Hof Nieder-Fisibach an das Kloster Rüti (UBZH VIII, 181). Niederfisibach ist das heutige Fisibach AG, als Oberfisibach wurde früher das heutige Bachs ZH bezeichnet; genauer: der Dorfteil Alt-Bachs, westlich des Baches (vgl. Mitte des 19. Jahrhunderts die Wild-Karte: «Fisibachs»).

Wie man dem Beitrag Kloten, von im Historischen Lexikon der Schweiz entnehmen kann, ist es schwierig zu sagen, welcher Familie der genannte Rudolf angehörte.

Immerhin wird die Annahme bestärkt, dass es sich um lokal bestens vernetzte Ministerialadlige handelte, wenn man im HLS-Beitrag liest: «Einen Zweig der Fam. bildeten vor 1300 die ritteradligen Meier von Rümlang. Ab Mitte des 13. Jh. lassen sich Beziehungen mit den Frh. von Regensberg bezüglich Lehen und Gefolgschaft nachweisen.» Da diese Herren von Kloten zudem im kyburgischen Gebiet tätig waren, mussten sie sich spätestens ab 1264 an die Vorstellungen der Habsburger anpassen - denn zu diesem Zeitpunkt starben die Kyburger im Mannesstamme aus und das Haus Habsburg sicherte sich nach einer Auseinandersetzung mit den Savoyern die Kontrolle über das Gebiet.

Welcher der beiden Linien, Habsburg-Österreich oder Habsburg-Laufenburg, die Herren von Kloten dabei Gefolgschaft leisteten, scheint von den in diesen Jahren zuweilen je nach Kriegsglück wechselnden Umständen abhängig gewesen zu sein. Verständlich: man musste sich als Ministerialadliger ja irgendwie das Überleben sichern.

Inwieweit die Verkäufe etwas mit den Aufräumaktionen nach der Ermordung des Habsburger-Königs Albrecht am 1. Mai 1308 (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 102) zu tun haben, ist schwer zu sagen.

Verkauf fürs Seelenheil und rascher Tod

Jedenfalls scheint Rudolf von Kloten im Jahre 1309 alt, krank oder gar beides gewesen zu sein. Denn offenbar wollte er sich auf dem Klostergelände ein kleines Haus bauen, hat aber kurz nach dem Verkauf an das Kloster das Zeitliche gesegnet.

Wir wissen das, weil noch im selben Jahr zwei seiner Brüder dem Konvent zu Oetenbach die ehemaligen Klotener Güter in Weiach streitig machten - und die Frage der Besitzrechte offenbar einen heftigen Streit entfacht hatte. Die streitenden Parteien kamen schliesslich überein, je zwei Schiedsleute abzuordnen und beriefen «Růdolf von Hapspurch» als Vorsitzenden, der einen allenfalls nötigen Stichentscheid zu fällen hatte.

Der Entscheid des Schiedsgerichts ist (wie die Urkunde von 1309) in Band 8 des Urkundenbuchs der Stadt und Landschaft Zürich (UBZH VIII, 281-282) als Nr. 3016 abgedruckt. Die Editoren haben dem Schriftstück das folgende Regest als Titel vorangestellt:

«Graf Rudolf von Habsburg als Obmann und 4 Schiedsrichter entscheiden im Streit zwischen dem Kloster Oetenbach und den Brüdern Johannes und Hartmann von Kloten über die von ihrem verstorbenen Bruder Rudolf von Kloten vergabten und verkauften Güter zu Weiach und eine Hofstatt am Oetenbach.»

Das Pergament ist auf den 31. Januar 1310 datiert. Es wurde in der Stadt Zürich besiegelt und hat folgenden Wortlaut, den WeiachBlog im Volltext aus dem (bislang nicht in digitaler Form verfügbaren) Urkundenbuch übernimmt:

«Allen, die disen brief sehent alt hoerent lesen, kuinden wir grave Růdolf von Hapspurch [Fn-281.1], meister Ůlrich Wolfleipsch, chuster Zuirich, her Hartman von Baldegge, her // Heinr. von Ruimlanch ritter unt Jacob von Slatte, daz ein krieg unt mishelli waz zewischen Johans und Hartman gebrůdern von Chloten [Fn-281.2] einhalp unt dien geist//lichen swestern, der priorin unt dem convent der swestern des klosters Oetenbach, daz inrent der ringmûr Zuirich lît, anderthalp umb daz nachgeschriben // gůt, so Růdolf selig von Kloten, der vorgenanden Johans unt Hartmans gebrůder verlassen het. Disui sache wart von der priorin unt dem convent an Oetenbach an uins, meister Ůlrich den chuster unt hern Hartman von Baldeg, gesezzet unt ze Johans unt Hartmans wegen von Kloten an uins, hern Heinrich von Ruimlanch unt Jacoben von Slatte, unt wurden wir grave Růdolf von Habspurch ze gemeinem man von beiden teiln genomen; unt hant beide teil gelopt bi ir truiwe an es eides stat, stête zu haben, swaz wir sprechen unt ûsreden umb dise sache. Also han wir gehoert die ansprach und die vorderunge Johans unt Hartmans von Kloten umb daz cimber, so Růdolf selig von Kloten ir brůder bûte an Oetenbach uf des klosters hofstat [Fn-281.3], unt umb diese nachgeschriben ligende gůter ze Wiach: die Hofwisen, ein aker, heist der alt Wingart [Fn-281.4], ein gůt, da Johans kint von Ruiminchon uf sizzent, ein gůt, het Johans der Bůchnegger, und daz gůt zu Ruiwenhusen [Fn-281.5], (dui gueter die gebrůder) [Fn-a] sprachen, daz Růdolf selig ir gebrůder verlassen hette. Wir horten ouch die antwurt der priorinne unt des conventes, die sprachen, daz Růdolf selig von Kloten dui vorgenanden ligende gůter inen zu kouffen hette gegeben umb ein unt sechzeg march silbers Zuirich [Fn-281.6] gewicht, unt daz er des silbers gewert wurde unt daz er inen dui gueter vertigot fuir recht erb mit uinser frowen hant der ebthischin [S. 282] Zuirich [Fn-282.1]. Si hant ouch gesprochen, do sich Růdolf selig von Chloten beneinde [Fn-282.2] dem gozhûs an Oetenbach, do lopt er ein hûs ze buwen uf ir hofstat, da er inne solte wesen, die wile er lebte, unt daz dazselb hus oder zimber nach sinem tode solte des chlosters sin [Fn-282.3]. Hierumb han wir uins ervarn als schideluit unt minneklich tegedinger unt sprechen mit urteilt, daz Johans unt Hartman gebrůder von Kloten sich enzihen sun aller der vorderunge unt ansprach, so siu hatten unt han mochten an die vorgenanden priorin unt den convent umb alles daz gůt, als siu siu ansprachen von Růdolfs seligen wegen ir brůders, unt sun das tůn an der priorinne hant ze ir unt ir conventes wegen unt sun swerren ze dien heiligen, daz si [Fn-282.4] darumb niemer muegen an geistlichem noch an weltlichem gerichte. Do wir dis ûsgeretten, do volfůrten die vorgenanden gebrůder daz mit geluibde unt mit eiden. Darnach retten wir ûs unt hiessen die priorin unt den convent geben dien vorgenanden gebrůdern zwelf march silbers Zuirich gewicht; daz hant ouch siu getan, unt lobent beide teil willeklich stete ze haben uinsern scheit; als vorgeschriben ist. Unt ze einem offennen urkuinde alles, so vorgeschriben ist, geben wir grave Růdolf von Habspurch unt die schideluit disen brief besigelt offenlich mit uinsern ingesigeln. Wir . . priorin unt der convent des vorgenanden klosters an Oetenbach unt wir Johans und Hartman von Kloten gebrůder verjehen offenlich, swaz vorgeschriben ist, daz daz war ist unt geschehen ist, als vorgeschriben stat, unt loben es stete ze haben unt binden ouch darzů uinser nachkomen unt uinser erben. Unt des ze einem offennen urkuinde henken wir dui priorin uinser ingesigel an disen brief, under daz wir der convent uins binden. Unt wir Johans und Hartman die vorgenanden henken ouch uinser ingesigel an disen brief offenliche. Diz geschach Zuirich, unt wart ouch dir brief gegeben, do man von gottes geburt zalte truicehenhundert jar unt darnach in dem cehenden jare an dem samstag vor uinser frowen liechtmes; unt waren da zegegen: her Růd. von Beggenhoven, her Johans von Clarus, her Johans von Esche, ritter.»

Ein salomonischer Entscheid?

Sehr ausführlich und doppelt genäht kommt dieses Dokument daher - und es hängen nicht weniger als 7 Siegel dran: die aller Beteiligten. Der Fall war insbesondere bezogen auf die Güter zu Weiach wohl sonnenklar. Dafür dürfte schon die Urkunde von 1309 gesorgt haben. Der Wille des Verstorbenen ging ja klar daraus hervor.

Die beiden Klotener Adeligen mussten bei den Heiligen schwören, das Kloster Oetenbach nie wieder wegen der Weiacher Güter vor Gericht zu ziehen oder anderweitig zu behelligen. Im Gegenzug aber mussten auch die Priorin und die Schwestern des Konvents sozusagen in den sauren Apfel beissen. Sie mussten sich nämlich verpflichten den Brüdern des Rudolf 12 Mark Silber zu bezahlen. Also im Endeffekt 20% Aufschlag auf den Kaufpreis. Ob es sich dabei um den Ausgleich eines entgangenen Erbanteils gehandelt hat oder etwas anderes, wird in der Urkunde nicht erwähnt. Sie enthält keine Erwägungen und ist eher ein Ergebnisprotokoll.

Angaben zur Urkunde und zu den 7 Siegeln

«Original: Perg. 22/36 cm. St.A.Z. Oetenbach nr. 173» Die heute aktuelle Signatur dürfte StAZH C II 11, Nr. 173 lauten.

«7 Sigel; von einem weiteren hängt an 5. Stelle nur ein Pergamentstreifen mit dem Namen "Slatte" auf dem Falz, wie auch bei den übrigen Sigeln.
1. verkehrt angehängt mit Rückseite nach vorn, des Grafen Rudolf von Habsburg; vgl. Sigelabb. VII nr. 2
2. wohlerhalten, () 50/35 mm. Geistlicher mit einem Schlüssel eine Thür öffnend (ähnlich dem des Vorgängers, Sigelabb. VII nr. 69). † + S'MAGRI + VLR. + WOLFLEIPSCH + THESAUR + ECCE + THUR.
3. wohlerhalten, O 48 mm. Helm mit Frauenkopf und zwei Flügeln. † S ° HARTMANNI ° MILITIS DE BALDEGGE. (Die Wappenrolle nr. 281 zeigt auch 2 Flügel, aber ein Schirmbrett statt Kopf.)
4. wohlerhalten, Heinrichs von Rümlang; vgl. Sigelabb. VI nr. 42
5. wohlerhalten, der Priorin von Oetenbach, vgl. Sigelabb. III nr. 45
6. wohlerhalten, O 36 mm. Schild mit Eberkopf (ähnlich den schildförmigen Sigeln der Brüder von Kloten in Sigelabb. VI nr. 80-83); auf jeder Seite des Schildes 3 Blätter. † + S' + IOHANNIS + DE + KLOTEN +
7. beschädigt, O 37 mm. Schild auf Eberkopf, auf jeder Seite des Schildes 3 Blätter. † + S' HA . . MANI + DE + KLOTEN +
»

Anmerkungen der Editoren

Fn-a: «Auf Rasur, von gleicher Hand.»
Fn-281.1: «Jüngere Linie, Habsburg-Rapperswil, wie das Sigel zeigt.»
Fn-281.2: «Joh. und Hartmann nebst ihrem jetzt verstorbenen Bruder Rudolf von Kloten kamen 1289 vor (vgl. oben VI nr. 2064) und gehören nach den Sigeln dem Zürcher Rittergeschlecht von Kloten an.»
Fn-281.3: «Es könnte sich fragen, ob hier eine Hofstatt am alten Oetenbach beim Zürichhorn gemeint ist, oder eine beim neuen Kloster innerhalb der Ringmauer; wahrscheinlich doch letzteres, da dort viele Hofstätten im Besitz der Pfung und Biberli vorkamen; vgl. Stadtplan VI nr. 70; doch wurde 1261 auch am alten Oetenbach eine Hofstatt an das Kloster vergabt; vgl. oben III nr. 1139 und 1140.»
Fn-281.4: «Der Siegfried-Atlas 26 hat den Flurnamen "Wingert" westlich von Weiach, nicht aber eine Hofwiese. Der Hof Weiach gehörte dem Bischof von Konstanz; vgl. oben VI nr. 2323. Diese von Rudolf von Kloten verkauften Güter zu Weiach verlieh die Aebtissin von Zürich schon am 13. Februar 1309 an Oetenbach; vgl. oben nr. 2960.»
Fn-281.5: «Rauhausen, Waldname südlich von Weiach.»
Fn-281.6: «Diese Summe entspricht der Urkunde von 1309 und bezieht sich nur auf diese Güter, nicht auf die Hofstatt am Oetenbach.»
Fn-282.1: «Eben diese Fertigung, d.h. hier Verleihung, enthält die Urkunde nr. 2960.»
Fn-282.2: «"beneimen" nach Lexer = bestimmen, festsetzen; hier wohl verpflichten, den Verkauf nicht anzufechten.»
Fn-282.3: «Davon steht in jener Urkunde nichts, doch muss es bald nachher, vor Rudolfs Tod, geschehen sein.»
Fn-282.4: «Hier ist wohl "sie" ausgefallen; der Sinn ist, dass sie sie darum niemals bemühen oder beunruhigen.»

Um welchen Habsburger geht es da?

Am 31. Januar 1310 war also Rudolf von Habsburg in Zürich. Es handelt sich wohl um den damals 39-jährigen Rudolf III. von Habsburg-Laufenburg (geb. 1270, gest. 1315). Der war nämlich seit 1296 mit Elisabeth von Rapperswil (gest. 1309) verheiratet gewesen, was das Rapperswiler Siegel erklärt (vgl. Fussnote 1 zu S. 281 oben). Ausserdem war er seit dem Tod seines Vaters im Jahre 1271 formal (ab 1288 auch tatsächlich) Landgraf im Klettgau, ab 1305 Landgraf im Zürichgau. Mithin war Rudolf III. also als Inhaber der Hochgerichtsbarkeit zuständig für die Region, in der die strittigen Güter lagen.

Derselben Ansicht bezüglich Zuordnung der Person sind die Verfasser der Regesten zu den Grafen von Habsburg-Laufenburg. Gleich im Anschluss an die Angaben zu den Siegeln wird im UBZH der folgende Verweis gegeben: «Regest: Argovia X p. 171 nr. 267». Band X der Argovia erschien 1879 und ist in digitaler Form auf der Website e-periodica.ch der ETH-Bibliothek verfügbar, die oben notierte Fundstelle unter: http://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=arg-001:1879:10::393 - und die gehört zum Kapitel «Graf Rudolf III. und Elisabeth von Rapperswil», denen die Urkunde von 1310 zugeordnet wird.

Quelle
  • Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, 13 Bde, Zürich 1888-1957, Hrsg. von einer Commission der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich; bearb. von J. Escher und P. Schweizer, Paul Kläui, Werner Schnyder – Band 8, A°1909 – VIII, 281-282 – Nr. 3016

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